Thursday, January 25, 2007

 

Florian & Phil schreiben aus Harding

Südafrika:
Wir fuhren mit einem überfüllten Minibustaxi über ungeteerten Holperpisten in Richtung Bizana. Natürlich waren wir die einzigen Weißen weit und breit und jeder guckte uns eher zweimal an, als wir durch das Dorf gingen. Zum ersten Mal wurden wir mit „umlungu“, einem aus der Arpartheit stammenden Schimpfwort gegen Weiße, das übersetzt so viel wie, Priviligierter bedeutet, beschimpft. Ich hab mich zum ersten Mal richtig unwillkommen gefühlt und hatte ein ungutes Gefühl unter meiner wießen Haut. Es kam mir vor, als ob wir die ersten Weißen überhaupt gewesen wären, die durch dieses Dorf gegangen sind. Kinder rannten uns in Scharen hinter her und ältere Menschen guckten uns aus ihren traditionellen runden Zuluhütten ungläubig hinterher. Einer fragte uns ängstlich und verwundert, ob wir Sozialarbeiter seien und was wir hier in dieser Gegend eigentlich machen würden.

In der Hütte befand sich nicht nur ein Teil der Familie, sondern auch Katzen und Hühner, die Schutz vor Regen und Kälte suchten. Was mir sofort auffiel, war, dass Männer und Frauen getrennt saßen. Rechts saßen die Männer auf Bänken, links die Frauen auf den Boden. Die Frauen säugten die Kinder, während die Männer einfach nur da saßen, sich unterhielten, und Zulu-Bier tranken, ein aus Maismehl hergestellter Trunk. Alles war sehr patriarchalisch geprägt. Die Männer ließen sich von den Frauen bedienen, während die Frauen alle Hände voll zu tun hatten sich um Kinder und Essen zu kümmern.

Eine Lehrerin erwähnte ganz nebenbei, dass Lungile aus Grade 1 HIV positiv sei. Ich war vollkommen geschockt. Ich wusste zwar, dass die Provinz KwaZulu-Natal mit fast 30% die höchste HIV Rate in Südafrika hat, und dass dementsprechend ca. 50 Kinder auf der Schule HIV positiv sein müssten, aber es war das erste Mal, dass ich so nahe mit dem Thema in Berührung kam. Den ganzen Abend über war unsere Stimmung sehr gedrückt. Der fröhliche, kleine Lungile HIV positiv? Das war einfach hart zu ertragen. Wie alt er wohl werden würde? Wird sich jemand um ihn kümmern wenn es so weit ist? Versteht er, was die Infektion für sein Leben bedeutet? All diese Fragen gingen mir diese Nacht nicht mehr aus dem Kopf, und als ich am nächsten Tag wieder Lungiles lachendes Gesicht vor mir hatte, machte mich das nur noch trauriger.

Da der Sommer bei uns vor der Tür steht und die letzten zwei Wochen sehr heiß waren, konnten wir den swimming pool nutzen und mit einigen Klassen schwimmen gehen. Die kids konnten es alle gar nicht abwarten und freuten sich auf die willkommene Abkühlung. Wie schon erwähnt, ist ein Großteil der Lehrer und Betreuer eher wasserscheu. Dies ist jetzt keine erfundene Ausrede! Viele Zulus meiden aus kulturellen Gründen das Wasser, da in ihm böse Geister, sog. “bad spirits“, leben sollen. Es ist wirklich interessant, so sehr sie doch dem christlichen Glauben angehören, ihre Kultur ist immer noch präsent und beeinflusst sie in ihrem alltäglichen Leben. Somit wurde uns das Schwimmen dankend in die Hände gedrückt und wir waren fast jeden Tag im Wasser. Zum einen ist es eine angenehme Abwechslung und zum anderen, ist es einfach schön, zu sehen, wie sehr sich ein Kind freut, das den ganzen Tag im Rollstuhl sitzt und sich endlich mal so richtig austoben kann. Wir halten sie im Wasser und sie vergessen, wenigstens für ein paar Momente, ihre Behinderung. Da hier vielleicht insgesamt nur drei Kinder schwimmen können, betreuen wir jeweils immer nur ein Kind um den Überblick zu bewahren! Wir halten sie ständig fest und feuern sie zum „Schwimmen“ an. Die anderen sitzen mit großen Augen am Beckenrand und kühlen schon einmal ihre Füße im Wasser. Ich hab mir als Ziel vorgenommen, wenigstens drei kids Schwimmen beizubringen!

Im Projekt
Nicht nur die andere Hautfarbe, nein, auch meine Bein und Armbehaarung machen mich zu einer ganz seltenen Spezies. Mit grossen Augen und offenen Muendern werde ich wie im Zoo gestreichelt und bewundert.Auch mein blondes Haar wird von den ganz Mutigen vorsichtig beruehrt und begutachtet. Einige zupfen sogar an meinen Beinhaaren, um deren Echtheit zu pruefen.

Neben Spiel- und Betreuungspartner während der Nachmittag sind wir immer auch der große Freund der Kids, wenn sie mit ihren Sorgen und (familiären) Problemen zu uns kommen oder auch einfach nur etwas Nähe suchen. Neulich hat uns Spusiso, ein Senior aus dem P.D. Hostel alles Mögliche über HIV gefragt: Wie er sich anstecken kann, was er machen kann, wenn er wissen möchte, ob er oder seine zukünftige Freundin AIDS haben und so weiter. Von den Farmarbeitern wird uns immer wieder vorgelebt wie leichtfertig hier noch viele das Thema AIDS behandeln, obwohl in dieser Region über ein Viertel der Bevölkerung HIV infiziert ist. Da freut es einen richtig, wenn sich manche Kids schon Gedanken darüber machen. Einige Zeit später, als wir uns über ihre Weihnachts- und Ferienplanungen mit den Kids unterhalten haben, hat uns Spusiso dann erzählt, dass er bei seiner Großmutter lebt, weil seine Eltern beide an AIDS verstorben sind. Viele der Kids haben schon Elternteile, Geschwister oder sonstige Verwandte verloren und so ist es natürlich auch nicht auszuschließen, dass manche von ihnen infiziert sein könnten.

Die Gewatlbereitschaft
Viele der Kinde haben eine hohe Gewaltbereitschaft. Die Kinder sind nicht von Grund auf aggressiv und es geht dabei nicht brutal zu (es gibt keinen ernsthaften Verletzungen), aber die Schwelle vom verbalen Streit zu einem Faustschlag ist sehr klein und wird schnell überschritten. Oft wird auf ein Schimpfwort oder eine blöde Bemerkung mit körperlicher Gewalt reagiert. Ich sehe dafür vor allem zwei Gründe: zum einen können sich viele der Projektkinder nicht in dem Maße verbal wehren, wie es notwendig wäre und sehen daher in körperlicher Gegenwehr die einzige Möglichkeit, Stärke zu beweisen. Zum anderen , und das ist denke ich der Hauptgrung, leben die Kinder in einem Umfeld, in dem Gewalt sehr verbreitet ist.

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