Thursday, January 25, 2007

 

Kleine Realsatire aus Nicaragua

Zivi (vor seinen Nachhilfeschülern):
"50% der Klasse kann keine Prozentrechnung!"

Ruft eines der Kinder:
"Aber so viele sind wir doch gar nicht!"

:-)

 

Impressionen aus Peru: Strassenverkehr

"Verkehr
Die Taxifahrer sind einigermaßen zuverlässig und kennen sich aus, was auch nötig ist, weil man als Tourist nämlich nicht erkennen kann, welche Straße jetzt eine Einbahnstraße und in welche Richtung ist. Ampeln gibt es nur wenige, und noch weniger zeigen irgendeine Art von rotgelb- grüner Farbkombination an. Deswegen läuft die hauptsächliche Kommunikation zwischen den Verkehrsteilnehmern per Hupe ab und kann auf Kreuzungen von mehreren Hauptverkehrsadern schon mal ein bisschen abenteuerlich werden. Dafür dass ein funktionierende Hupe mindestens so wichtig wie Lenkrad und Bremsen sind, sind die Hupen erstaunlich leise und werden weniger aggressiv benutzt, als man es sich als Deutscher so vorstellt. Taxis hupen allgemein beim überholen, auch auf einspurigen Fahrbahnen, vor Kreuzungen, um mitzuteilen, dass jetzt gerade sie und niemand anders diese Kreuzung überqueren und natürlich um ahnungslose Touristen auf sich aufmerksam zu machen. Die Fahrer haben zumeist entweder einen Rosenkranz oder eine mehr oder weniger kitschige Kombination aus Jesus- oder Marienbildern am Rückspiegel hängen, die sie mit Daumen und Zeigefinger kurz dankend berühren, wenn sie, zum bassen Schrecken der Passagiere, mit quietschenden Reifen vor einem anderen Taxi zu Stehen kommen, dass aus irgendeinem Grunde, den wahrscheinlich nur dessen Fahrer kennt, seelenruhig quer auf der Fahrbahn steht."

 

Notiz aus Buenos Aires

"Buenos Aires ist eine Stadt voller Kontraste. Sobald man aus dem Zentrum herausgefahren ist, befindet man sich in einer anderen Welt. In den ärmsten Vierteln sind die Straßen nicht geteert und überall liegt Müll herum, der sich in den Büschen und Sträuchern am Straßenrand sammelt. Diese Barrios sind viel ruhiger als das hektische Zentrum und die bedrückende Atmosphäre wird durch die vielen streunenden Hunden, die sich untereinander heftige Kämpfe liefern, verstärkt. Um das Problem der Straßenhunde wenigstens etwas einzudämmen wurden in ganz Buenos Aires ein Meter hohe Müllkörbe installiert, in denen der Müll abgelagert wird bis er von der Müllabfuhr abgeholt wird.
Überall, auch im Zentrum der Stadt betteln Kinder und Jugendliche nach Geld, Essen oder Wasser. Leider hatte auch unsere Freiwilligengruppe an einem sonnigen Nachmittag in der Stadt eine erste Konfrontation mit Straßenkindern. Diese Kinder sind schon mit acht oder neuen Jahren so arm, dass sie nicht mehr zu verlieren haben. Sie klauen alles, was ihnen in die Finger kommt und schrecken vor nichts zurück. Als wir in an einem Kiosk im Zentrum der Stadt etwas zu Essen kauften, machte uns Hinnerk auf die vor dem Laden stehenden Kinder aufmerksam. Er riet uns auf unsere Wertsachen gut aufzupassen und sie gegebenenfalls festzuhalten. Kaum kamen wir aus dem Kiosk heraus, wurden wir von den Kids nach Geld angebettelt. Als wir ihnen nichts gaben wurden sie sehr aggressiv. Mir versuchten sie meinen Pullover wegzureißen, den ich mir umgebunden habe. Im letzten Moment hielt ich ihn noch fest. Die Kinder zogen ab, allerdings kamen sie nochmals mit etwas Verstärkung zurück. Sie probierten es nochmals und als sie erkannten, dass bei uns nichts zu holen ist, zogen sie ab. Zehn Minuten später sahen wir, wie dieselbe Bande einem anderen Mann die Brieftasche klaute. Der wütende Mensch rannte den Kids hinterher, diese ließen sie aus Angst die Brieftasche fallen und verzogen sich in den U-Bahnschacht. Dies hat uns gezeigt, dass Buenos Aires nicht ganz ungefährlich ist. Allerdings hält auch sehr viel von dem persönlichen Verhalten ab.


Nach einem kurzen Aufenthalt in Banfield sind wir nach Capital Federal, dem Kern von Buenos Aires, gefahren. Als ich gerade das Bahnhofsgebäude der Estación Retiro verließ, sah ich etwas, worüber ich Bescheid wusste, jedoch noch nie gesehen hatte. Straßenkinder beim Kleber Schnüffeln. Ich habe wohl zu lang hingesehen (außerdem fiel ich negativ auf, weil ich mein ganzes Reisegepäck bei mir trug), denn eines der Straßenkinder bewarf mich gleich mit einer Klebertüte. Ich wurde somit nach nur ein paar Stunden Aufenthalt im Land auf die sozialen Misstände aufmerksam gemacht."

 

Almut aus Guatemala

"Gualtemaltekisches Schulsystem
Viele Hausaufgaben gerade in den untersten Klasse bestehen daraus viel zu kopieren, seien es die Buchstaben, einzelne Wörter oder Sätze, die einfach Seitenweise abgeschrieben werden müssen. Ich habe das Gefühl, dass viele Kinder dabei nicht denken müssen und gar nicht wissen, was sie gerade schreiben. So kommt es im Pastoral oft vor, das sie zwar prima lesen können, aber keine Ahnung vom Inhalt des Textes haben. Ebenso haben viele Kinder überhaupt kein Gefühl für Zahlen, z.B. das das Kleine Einmaleins nicht über nicht 100 hinausgeht. Sie können die Zahlen nicht mit einer Größe vergleichen, vor allem die Zahlen untereinander nicht. Der Witz ist eigentlich, das hier auf den Heften hinten das Kleine Einmaleins draufsteht, sodass sie es immer einfach ablesen können - ich habe mir vorgenommen, das alle Kinder ab der 3. Klasse hier bis zum Ende meines Freiwilligendienstens das Kleine Einmaleins können. Wie ich das schaffe, steht noch nicht fest, außer das ich ein Einmaleins Memory basteln werde. Tipps sind sehr willkommen! Es gibt hier außerdem die Möglichkeit eine Klasse sooft zu wiederholen, bis man sie bestanden hat, oder die Eltern eingreifen, das Kind entweder meistens ganz von der Schule nehmen oder in seltensten Falle auf eine, für das Kind geeignete Schule schicken. So kommt es schon mal vor, das ein 11 Jähriges Mädchen, wie Carla aus dem Pastoral nach drei Jahren sitzen bleiben in der 1. Klasse jetzt gar nicht mehr zur Schule geht, nicht schrieben und kaum lesen kann, aber weil ihre kleineren Schwestern ins Pastoral kommen, auch mitgeht, damit sie nicht den ganzen Tag nur in Haus sitzt. Meine Projektleiterin Nelly spricht schon seit 2 Jahren mit der Mutter von Carla, damit Carla in der Behindertenschule EDECRI eine besser Betreuung bekommt, und vielleicht noch eine Chance auf ein bisschen Bildung hat, aber die Mutter will das nicht, geschweige denn der Vater. Was für eine Zukunft hat dieses Kind, das nur zuhause sitzt, aus Depression ihre kleine Schwestern schlägt, weil diese vieles besser können? - Es wird wahrscheinlich wie viele andere Kinder später heiraten, Kinder bekommen und ihrem Mann gehorchen und bekochen, der sie gut möglich auch noch schlagen wird. So sieht für viele die Realität hier aus, ob sie da die Rechte der Kinder in der Schule auswendig lernen müssen oder nicht, ändert nichts, auch nicht das es hier einen Tag der Kinder gibt, so wie in Deutschland den Mutter- oder Vatertag, der hier am 1. Oktober gefeiert wurde. Keiner fühlt sich in so einem Falle verantwortlich für das Kind die beste Lösung zu finden, wobei die Eltern oft auch keine Ahnung von den Möglichkeiten für ihr Kind haben.

Hier möchte ich noch ein Erlebnis mit meiner Gastfamilie niederschreiben: Wir saßen abends am Tisch, nachdem ich hier ungefähr einen Monat wohnte und ich bedankte mich mit folgenden Worten und einer Tafel Milka-Schokolade: “Danke, dass ihr für mich die Tür eures Hauses geöffnet habt und ich Teil eurer Familie werden konnte.” Zuerst war es fast unheimlich, weil alle leise wurden und mir zuhörten, dann folgte von meinem Gastvater, der sonst eigentlich eher weniger sagt, außer wenn er richtig gut drauf ist, denn dann muss er immer scherzen: “Nicht nur die Tür ist offen für dich, sondern auch unser Herz hat dich aufgenommen!” Solche emotionsvollen und vom Herzen kommenden Ausdrücke sind wir als Europäer kaum gewöhnt, aber so etwas tut einfach unheimlich gut zu hören."

 

Notiz aus Palästina

Die Kultur: Nett, offen, anders und doch so gleich!
Manchmal sind sich die Israelis und Palis so unglaublich ähnlich! Es dauert halt alles ein bisschen länger hier. Oder positiver: Man ist einfach gemütlicher, was wahrscheinlich auch gar nicht anders möglich ist bei dieser Hitze. Und wenn ich mich schon über israelische Autoritäten bei der Einreise gewundert haben sollte, die Palästinensische Polizei steht dem in nichts nach: Da fahren wir zum Beispiel verbotenerweise zu sechst in einem Taxi durch Bethlehem und werden angehalten! Minutenlange Diskussionen zwischen Taxifahrer und Polizisten & Auf einmal werden wir gefragt, ob das denn in Deutschland auch gehe, und nachdem wir das alle überzeugend bejahen, dürfen wir auch weiterfahren. Es kommt einem einfach manchmal so vor, als würden sich die Autoritäten in Palästina gern auf Kleinigkeiten stürzen, während die wahren Probleme der Menschen nicht angerührt werden.

 

Guadalajara / Mexico

Kathi schreibt von von einem abwechslungsreichen FW-Alltag, mit vielen Emotionen. Sie lernt, auch kleine Erfolge als Fortschritte zu feiern ... :

"Als die Kinder das letzte Mal keine Schule hatten, habe ich mit meinen ausgemacht, wenn alle ihre Aufgaben schnell und gut erledigen, würden wir am nächsten Tag Armbänder knüpfen. Und zu meinem Erstaunen haben alle ihr Hausaufgaben erledigt, die nicht wenige waren. Also komme ich am nächsten Tag in die Oasis und natürlich wussten meine Kinder Bescheid plus den Jungen, den mir Carmelita abgenommen hat. Eigentlich wollte ich nicht, dass dieser mitknüpft, aber dann ließ ich es auf einen Versuch ankommen. Also insgesamt hätte ich elf Kinder gehabt und ich wollte in zwei Gruppen knüpfen. So ist es dann abgelaufen: Alle kamen auf einmal, das heißt zehn, der elfte kam überhaupt nicht; zwei habe ich rausgeschmissen, da sie zu viel Quatsch gemacht haben; zwei haben vor Beginn schon aufgehört; einer hat angefangen und dann die Lust verloren; zwei habe ich das halbe Bändchen geknüpft; einer wollte wann anders – also nie (ich kenn doch meine Oasis – Kinder) – weitermachen und zwei haben ganz alleine ihr Bändchen gemacht. Jetzt tragen also von elf Kindern vier ein Bändchen. Ich bin so stolz auf mich!  Es war wirklich anstrengend."

 

Edo Meyer schreibt aus Masaya / Nicaragua

„Welche Farbe hat ein Schwein?“
fragte ich den fünfjährigen Jimmi, der gerade mit Wachsmalern ein Schwein malen wollte. Rosa, Schweinchenrosa oder irgendwie so was, was man halt als Kind aus Bilderbüchern lernt, hatte ich erwartet. „Blanco! – Weiß!“ kam die unerwartete Antwort. Natürlich hatte Jimmi so gut wie nie in ein Bilderbuch geschaut, wozu auch, wenn hier doch die Hausschweine auf dem Gelände rumlaufen. Und irgendwie hatte er Recht, die Schweine sind viel mehr weiß als rosa.

Der Aufstieg [zum Fort “El Fortín ist] nicht so angenehm, da man eine riesige Müllkippe durchkreuzt, auf der auch Kinder arbeiten. Die meisten von den Kids haben uns erzählt, dass sie Metalle suchen, die sie dann für nur wenig Geld verkaufen. Da die Arbeiter auf den Müllwagen aber schon das Meiste heraus sammeln, bleibt den Kids nicht mehr viel übrig. Der Anblick dieser Arbeitsstätte war für mich sehr krass. Der Geruch in der Nase war unerträglich und der Gedanke, dass diese Kinder dort täglich arbeiten müssen um zu überleben, ist unvorstellbar.


Die Zivi-Hütte
Unsere Zivihütte wurde letztes Jahr von unseren Vorvorgängern selbst erbaut. Wir haben kein fließendes Wasser, sondern müssen dieses ein- bis zweimal die Woche auf einem Carretón zu unserer Hütte schieben. Die Wäsche wird hier auf einem so genannten Lavador gewaschen. Handwäsche ist wirklich eine langwierige Arbeit. In Deutschland vergisst man leider viel zu schnell, wie gut man es hat. Eine Waschmaschine wird als selbstverständlich angesehen. Wenn ich schon früher gewusst hätte, wie sehr ich unsere Waschmaschine hier vermissen würde, hätte ich wahrscheinlich mehr Zeit mit ihr verbracht und sie viel mehr geschätzt. Allerdings hat das Handwaschen auch seine Vorteile. “Was mir hier sehr gut gefällt, ist, dass die Haushaltsarbeit hier in einem viel realeres Verhältnis zum Ergebnis steht. Denn hier muss man tatsächlich ordentlich schrubben und gleichzeitig sparsam mit dem selber heran geschleppten Wasser umgehen, um seine Wäsche sauber zu bekommen. In Deutschland wäre das ganze mit einem Knopfdruck erledigt...” schrieb mein Mitfreiwilliger Paul ganz richtig. Dadurch wird man auch etwas pingeliger. Denn ich weiß, dass ich genau diesen Fleck auf der Hose später per Hand rausbürsten muss. Hier wird mir klar, was für einen Luxus ich in Deutschland genossen habe. Wir hatten einen Geschirrspüler - jetzt spülen wir das Geschirr im Lavador, ein richtiges Klo - jetzt ein Loch im Boden mit etwas Beton drum herum. Das soll nicht bewertend klingen, denn auch wenn ich zwar ein paar Dinge vermissen, ist die Erfahrung wunderbar. Und hier darf ich eine Natur erfahren, wie ich sie noch nie erlebt habe. Wir haben einen Bambuswald vor der Tür, der sich bei Wind fast bis zum Brechen biegt. Wir haben unzählige Bananenstauden im Garten, genauso wie Limonenbäume, Papayabäume und vier große Avocadobäume direkt über unserer Hütte. Nachts fliegen Glühwürmchen durch die Spalten im Haus in die Zimmer und morgens wachen wir mit der Sonne auf. Natürlich nicht immer. Man lebt viel mehr draußen als drinnen.

Die Knoblauchzehe in Pauls Ohr
Die Einstellung zu Medikamenten in Nicaragua kommt mir manchmal sehr merkwürdig vor. Einerseits gibt es hier so genannte Brujas = Hexen, die bei Krankheiten helfen können. Andererseits ist es aber viel verbreiteter, bei jeder Kleinigkeit Medikamente zu nehmen. Nicht nur, dass man in jeder Apotheke alle möglichen Mittel bekommt, die in Deutschland mindestens rezeptpflichtig sind, sondern auch die Ärzte verschreiben ihren Patienten einen Haufen von Antibiotika und Schmerzmittel. Da passiert es schon mal, dass man mehrere Spritzen nach einem Wespenstich bekommt, wie mir ein Bekannter erzählte. Oder wie in Pauls Fall: Er hatte einige Tage lang Ohrenschmerzen, die anscheinend nicht allzu schlimm waren, aber nicht verschwinden wollten. Deshalb besuchte Paul einen Arzt, der eine Entzündung feststellte und ihm nicht nur ein starkes Antibiotikum, sondern auch ein Schmerzmittel und ein Medikament gegen den Druck im Ohr gab. Das half zwar zuerst, aber nach kurzer Zeit kehrten die Beschwerden wieder. Als Angela, (unsere Projektleiterin) das hörte, sagte sie Paul solle sich eine warme Knoblauchzehe über Nacht ins Ohr stecken. Klingt zwar komisch, aber hilft. Nach zwei Nächten waren die Schmerzen ganz verschwunden.

Gestern habe ich mich neben ein bettelndes Straßenkind gesetzt, das mich um einen Peso bat und habe versucht etwas über ihn und seine Geschichte zu erfahren. Der Junge erzählte mir, nach anfänglichem Zögern, dass er jeden Tag am selben Ort sitze, die vorbeifahrenden Autos anschaue und Menschen um Geld anbettele. Er sei verantwortlich dafür, dass seine Familie am Abend genug zu essen habe. Sein täglicher Verdienst „dipende del día“, hänge vom Tag ab. An einem Feiertag, wenn weniger Passanten durch León laufen, „verdiene“ er weniger, als an einem hektischen Wochentag. Zwischen meinen Fragen und seinen Antworten gab es lange Momente des Schweigens, die jedoch nicht unangenehm waren. Ich meinte fühlen zu können, dass es den Jungen beschäftigte, dass sich ein Chele wie ich, von denen er hauptsächlich Geld bekommt, nun neben ihn setzt, Interesse an seinem Leben zeigt und von seinem eigenen Leben erzählt. In diesem Augenblick habe ich angefangen die Straße, die wir betrachteten, aus den Augen des Kindes zu sehen, das im eigentlichen Sinne seiner Kindheit beraubt wurde – kein Kind mehr sein darf. Warum habe ich mich neben den Jungen gesetzt? Ich glaube ich hatte in diesem Moment einfach das Bedürfnis mehr über diesen Jungen zu erfahren und gleichzeitig, ihm das Gefühl und das Bewusstsein zu vermitteln, dass ich kein typischer weißer Tourist bin, der nicht an seiner Lebenssituation interessiert ist. Ich glaube, dass dies für mich Teil meines Auftrags hier in Nicaragua ist. Ich kann den Menschen nicht mit dem Aufbau von Wassersystemen helfen, da mir dazu die finanziellen Mittel und Qualifikationen fehlen. Ich habe den Glauben, dass meine Hilfe auf eine andere Weise erfolgt. Auf einer zwischenmenschlichen Ebene. Ich kann hier in Nicaragua die Welt nicht verändern. Wohl aber kann ich die Welt einzelner Menschen verändern. Von ihnen lernen und Interesse zeigen. Vorurteile einzelner aufbrechen. Lächeln und ein Anflug von Hoffnung bringen......als ich aufstand und wegging, sah mir der Junge nach, hat mir gewunken und mich kein zweites mal um Geld gebeten...

 

Florian & Phil schreiben aus Harding

Südafrika:
Wir fuhren mit einem überfüllten Minibustaxi über ungeteerten Holperpisten in Richtung Bizana. Natürlich waren wir die einzigen Weißen weit und breit und jeder guckte uns eher zweimal an, als wir durch das Dorf gingen. Zum ersten Mal wurden wir mit „umlungu“, einem aus der Arpartheit stammenden Schimpfwort gegen Weiße, das übersetzt so viel wie, Priviligierter bedeutet, beschimpft. Ich hab mich zum ersten Mal richtig unwillkommen gefühlt und hatte ein ungutes Gefühl unter meiner wießen Haut. Es kam mir vor, als ob wir die ersten Weißen überhaupt gewesen wären, die durch dieses Dorf gegangen sind. Kinder rannten uns in Scharen hinter her und ältere Menschen guckten uns aus ihren traditionellen runden Zuluhütten ungläubig hinterher. Einer fragte uns ängstlich und verwundert, ob wir Sozialarbeiter seien und was wir hier in dieser Gegend eigentlich machen würden.

In der Hütte befand sich nicht nur ein Teil der Familie, sondern auch Katzen und Hühner, die Schutz vor Regen und Kälte suchten. Was mir sofort auffiel, war, dass Männer und Frauen getrennt saßen. Rechts saßen die Männer auf Bänken, links die Frauen auf den Boden. Die Frauen säugten die Kinder, während die Männer einfach nur da saßen, sich unterhielten, und Zulu-Bier tranken, ein aus Maismehl hergestellter Trunk. Alles war sehr patriarchalisch geprägt. Die Männer ließen sich von den Frauen bedienen, während die Frauen alle Hände voll zu tun hatten sich um Kinder und Essen zu kümmern.

Eine Lehrerin erwähnte ganz nebenbei, dass Lungile aus Grade 1 HIV positiv sei. Ich war vollkommen geschockt. Ich wusste zwar, dass die Provinz KwaZulu-Natal mit fast 30% die höchste HIV Rate in Südafrika hat, und dass dementsprechend ca. 50 Kinder auf der Schule HIV positiv sein müssten, aber es war das erste Mal, dass ich so nahe mit dem Thema in Berührung kam. Den ganzen Abend über war unsere Stimmung sehr gedrückt. Der fröhliche, kleine Lungile HIV positiv? Das war einfach hart zu ertragen. Wie alt er wohl werden würde? Wird sich jemand um ihn kümmern wenn es so weit ist? Versteht er, was die Infektion für sein Leben bedeutet? All diese Fragen gingen mir diese Nacht nicht mehr aus dem Kopf, und als ich am nächsten Tag wieder Lungiles lachendes Gesicht vor mir hatte, machte mich das nur noch trauriger.

Da der Sommer bei uns vor der Tür steht und die letzten zwei Wochen sehr heiß waren, konnten wir den swimming pool nutzen und mit einigen Klassen schwimmen gehen. Die kids konnten es alle gar nicht abwarten und freuten sich auf die willkommene Abkühlung. Wie schon erwähnt, ist ein Großteil der Lehrer und Betreuer eher wasserscheu. Dies ist jetzt keine erfundene Ausrede! Viele Zulus meiden aus kulturellen Gründen das Wasser, da in ihm böse Geister, sog. “bad spirits“, leben sollen. Es ist wirklich interessant, so sehr sie doch dem christlichen Glauben angehören, ihre Kultur ist immer noch präsent und beeinflusst sie in ihrem alltäglichen Leben. Somit wurde uns das Schwimmen dankend in die Hände gedrückt und wir waren fast jeden Tag im Wasser. Zum einen ist es eine angenehme Abwechslung und zum anderen, ist es einfach schön, zu sehen, wie sehr sich ein Kind freut, das den ganzen Tag im Rollstuhl sitzt und sich endlich mal so richtig austoben kann. Wir halten sie im Wasser und sie vergessen, wenigstens für ein paar Momente, ihre Behinderung. Da hier vielleicht insgesamt nur drei Kinder schwimmen können, betreuen wir jeweils immer nur ein Kind um den Überblick zu bewahren! Wir halten sie ständig fest und feuern sie zum „Schwimmen“ an. Die anderen sitzen mit großen Augen am Beckenrand und kühlen schon einmal ihre Füße im Wasser. Ich hab mir als Ziel vorgenommen, wenigstens drei kids Schwimmen beizubringen!

Im Projekt
Nicht nur die andere Hautfarbe, nein, auch meine Bein und Armbehaarung machen mich zu einer ganz seltenen Spezies. Mit grossen Augen und offenen Muendern werde ich wie im Zoo gestreichelt und bewundert.Auch mein blondes Haar wird von den ganz Mutigen vorsichtig beruehrt und begutachtet. Einige zupfen sogar an meinen Beinhaaren, um deren Echtheit zu pruefen.

Neben Spiel- und Betreuungspartner während der Nachmittag sind wir immer auch der große Freund der Kids, wenn sie mit ihren Sorgen und (familiären) Problemen zu uns kommen oder auch einfach nur etwas Nähe suchen. Neulich hat uns Spusiso, ein Senior aus dem P.D. Hostel alles Mögliche über HIV gefragt: Wie er sich anstecken kann, was er machen kann, wenn er wissen möchte, ob er oder seine zukünftige Freundin AIDS haben und so weiter. Von den Farmarbeitern wird uns immer wieder vorgelebt wie leichtfertig hier noch viele das Thema AIDS behandeln, obwohl in dieser Region über ein Viertel der Bevölkerung HIV infiziert ist. Da freut es einen richtig, wenn sich manche Kids schon Gedanken darüber machen. Einige Zeit später, als wir uns über ihre Weihnachts- und Ferienplanungen mit den Kids unterhalten haben, hat uns Spusiso dann erzählt, dass er bei seiner Großmutter lebt, weil seine Eltern beide an AIDS verstorben sind. Viele der Kids haben schon Elternteile, Geschwister oder sonstige Verwandte verloren und so ist es natürlich auch nicht auszuschließen, dass manche von ihnen infiziert sein könnten.

Die Gewatlbereitschaft
Viele der Kinde haben eine hohe Gewaltbereitschaft. Die Kinder sind nicht von Grund auf aggressiv und es geht dabei nicht brutal zu (es gibt keinen ernsthaften Verletzungen), aber die Schwelle vom verbalen Streit zu einem Faustschlag ist sehr klein und wird schnell überschritten. Oft wird auf ein Schimpfwort oder eine blöde Bemerkung mit körperlicher Gewalt reagiert. Ich sehe dafür vor allem zwei Gründe: zum einen können sich viele der Projektkinder nicht in dem Maße verbal wehren, wie es notwendig wäre und sehen daher in körperlicher Gegenwehr die einzige Möglichkeit, Stärke zu beweisen. Zum anderen , und das ist denke ich der Hauptgrung, leben die Kinder in einem Umfeld, in dem Gewalt sehr verbreitet ist.

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